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Geblogtes

Erfahrung von Klimawandel

Es war einmal ein kleines Mädchen, das lebte auf einem Bauernhof mit seinen Eltern. Es war ein glückliches, kleines Mädchen, denn es liebte neben seinen Eltern auch Hühner und auf dem Bauernhof gab es ein paar davon und das Mädchen streichelte sie und suchte ihre Namen aus. Das Mädchen mochte aber auch Rührei (ja, dies ist keine rein harmonische Geschichte, schließlich geht es ja um Klimawandel, wie auch immer). Das Mädchen war sehr stolz, wenn es Eier suchen konnte, und wenn die Mutter es für die gefundenen Eier lobte und ihr ein tolles, leckeres Rührei daraus zubereitete. Und als das Mädchen alt genug war, hat die Mutter dem Mädchen sogar beigebracht, das Rührei selbst anzurühren und goldgelb zu braten.

Eines Tages aber, als das Mädchen gerade wieder mit der Mutter Rührei machte und ein Ei aufschlug, rann daraus nicht klares Weiß und rundes Gelb, sondern ein totes, klebriges, blutiges kleines Huhn. Das Mädchen war natürlich sehr erschreckt und die Mutter bemühte sich sehr, das Mädchen zu trösten und zu erklären, wie das kleine Huhn in das Ei kommt und sicher hat sie viele gute Worte gefunden, liebevollere, als ich jetzt aufschreiben kann, aber das Mädchen hat zum Schluss begriffen, dass Eier sowas wie Hühner-Babys sind, nur noch nicht ganz fertige. Manche kleine Mädchen hätten jetzt sicherlich die tränen aus den Augen gewischt, ihrer Mutter vertraut, dass man Hühner und Rührei gleichzeitig mögen kann und das nächste Ei aufgeschlagen. Aber dieses kleine Mädchen in der Geschichte musste an die Hühner denken, die es gestreichelt hatte und an die vielen Rühreier, die es schon gegessen hatte, weinte etwas mehr und sagte seiner Mutter, dass es nie wieder Rührei essen oder auch nur Eier sammelt will. Die Mutter war etwas konsterniert, was ein erwachsenes Wort für ratlos ist, denn als Erwachsene wusste zwar sie deutlich mehr über Eier, wusste aber als Mutter auch, dass dem kleinen Mädchen jetzt viele gute Worte auch nicht die Tränen trocknen würden. So fragte die Mutter das kleine Mädchen nur, ob sie denn noch Kuchen essen würde, da wären auch Eier drin. Das Mädchen dachte an den leckeren Kuchen mit den Eiern und an die trockenen Kekse ohne Eier und an die Hühner und schüttelte den Kopf, wie es nur kleine Mädchen tun können.

Die Geschichte vom kleinen Mädchen könnte jetzt noch weitererzählt werden mit anderen Gebäcksorten mit und ohne Eier, könnte von Milch handeln und von Fleischwurst, aber das tut sie nicht. Die Geschichte geht nicht um Vegetariertum oder Ethik. Die Geschichte handelt vom Klimawandel und einem kleinen Mädchen, das mit kindlicher Emotionalität erfährt, dass seine Welt, also Hühner und Rührei, einen Bruch hat, an dem sie beteiligt ist. Wir sind das kleine Mädchen. Unsere Welt ist größer und mit noch schöneren Dingen angefüllt als mit Hühnern und Rührei, zum Beispiel mit Müttern und kleinen Mädchen. Aber wir haben das Ei mit dem toten Küken noch nicht gefunden und uns fehlt die Erfahrung, dass wer jetzt ein Ei für Rührei zerschlägt, in Zukunft daraus kein Huhn zum streicheln aufziehen können wird. Dass wer jetzt Kohlendioxid aus der Verbrennung von Öl, Kohle und Gas in die Luft entlässt, in Zukunft, wenn unser eigenes kleines Mädchen Mutter werden wollte, für Sie keine große, schöne Welt mehr da sein wird.

Dies liest sich jetzt sehr emotional. Als Erwachsene sollten wir unser Handeln eher auf Fakten aufbauen. Die Fakten allerdings sind bekannt und deutlich, nur handeln wir nicht danach, sondern nach unseren emotionalen Erfahrungen. Die uns, wie dem kleinen Mädchen vorher, aber fehlen. Leider geht die Geschichte vom kleinen Mädchen weiter, ebenso wie auch die Erfahrung vom Klimawandel noch weiter erzählt werden muss.

Am Abend kommt der Vater des kleinen Mädchens von der Arbeit nach Hause. Das kleine Mädchen erzählt ihm von ihrer Entscheidung keine Eier mehr zu sammeln und keine Rühreier mehr zu essen und nur noch Plätzchen aus Mehl und Zucker ohne Eier. Der Vater nickt konsterniert und sagt zu dem kleinen Mädchen: „Du bist mir das liebste auf der Welt und ich gebe alles her, was ich habe, um dich glücklich zu machen. Aber du musst wissen, dein Vater hat einen Hühnerhof, die großen Hallen auf der anderen Seite des Feldes hinter unserem Bauernhof sind voll mit Hühnern, wir leben vom Verkauf der Eier, dein Pony und deine Puppen wurden von Geld bezahlt, das wir mit Eiern verdient haben und auch das Mehl und der Zucker bezahlt deine Mutter davon. Auch wenn ich ab sofort kein Ei mehr verkaufen könnte, morgen werden wieder tausende Hennen jede ein Ei legen, morgen, den Rest der Woche und für die nächsten zwei Jahre, jeden Tag eines, bis sie alt und schwach sind. Was machen wir mit den ganzen Eiern? Und bis sie sterben brauchen sie Futter und Wasser und jemanden, der sauber macht. Ich habe Verträge mit Eierhändlern und mit Futterlieferanten und mit Hühnerzüchtern, die kann ich nicht kündigen, ohne viel Geld zu verlieren. Wir müssten den Bauernhof verkaufen und in die Stadt ziehen und in einer Wohnung leben, in der man keine Hühner halten kann, nur ab und zu könnten wir in den Streichelzoo, da haben sie auch Hühner. Willst du das alles tun, nur wegen eines toten Kükens im Ei?“